Neue Tipps & Tricks von Eurem OL-Doc! Trainingserfolg inklusive.
Multimodales Nacht-OL-Spezialtraining nach OL-Doc
Es gibt wahrscheinlich nur wenige Spezialist/innen im Nacht-Orientierungslauf, doch diese lieben ihre Königsdisziplin aber umso mehr. Warum daher nicht speziell für kommende Wettkämpfe im Herbst trainieren? Die eigene Arbeit mit nachstehend beschriebenen Methoden brachte mir so manchen Vorteil gegenüber Profis, die das ganze Jahr über Zeit für ihren Sport und für viele Wettkämpfe hatten. Und so manchen athletischen Vorteil anderer konnte ich mental soweit kompensieren, dass Podestplätze in der Nacht immer in meiner Reichweite waren, wo ich unter Tags schon allein wegen deutlich schlechterer Kilometer-Zeiten das Nachsehen hatte.
Scheuklappentraining bei Tag
Dabei, beim so genannten „Scheuklappentraining“, handelt sich um normale OL-Trainings am Tag, bei denen man jedoch versucht, beim Orientieren bewusst nur all jene Komponenten im Gelände wahrzunehmen, die man in der Nacht im eigenen Scheinwerferkegel sehen würde. Das heißt, entferntere Objekte (Hochsitze, Futterkrippen, markante Geländedetails etc.) dürfen nicht mehr als Orientierungshilfe herangezogen werden, sobald sie über etwa 15 Meter von der Laufstrecke abseits liegen, sondern werden geistig gezielt ausgeblendet.
Dies reduziert die Möglichkeiten, die Laufroute wie unter Tags gewohnt mitzuchecken und sollte auch bei der eigenen Routenplanung jeweils eingerechnet werden, da Auffanglinien und -objekte markanter als sonst ausgewählt werden müssen. Auf diese Weise entspricht das Orientieren dem nächtlichen Wettkampf.
Auf den Einbruch der Dunkelheit zu warten, ist nicht nötig. Sich auf Nacht-OLs mental vorzubereiten, geht bei jeder Tag- & Nachtzeit!
Scheuklappen Map Jog bei Tag
Habe ich gerade kein passendes OL-Trainingsgelände bei der Hand, kann ich auch den Map Jog (nach Wilf Holloway) als Scheuklappenlauf durchführen.
Was ist das? Zur Erinnerung: Beim Map Jog laufe ich auf einer meiner gewohnten Long-Jog Runden und nehme eine fremde Wettkampfkarte (z.B. auch eine Routenwahl aus einem OL-Magazin) mit, die eigentlich ein anderes Gelände zeigt. Während des Laufes visualisiere ich den anderen Lauf, plane und strukturiere dabei genauso die Route(n) und versuche vor allem, die Visualisierung in ähnlicher Zeit ablaufen zu lassen wie in der Realität (d.h. am Ende einer 6km-Laufrunde bin ich auch im Muster-OL bei ca. 6km, ggfs. im Ziel). Manchmal kann man vorbekannte Steigungen, Fixpunkte oder Abzweigungen der gewohnten Laufstrecke in die Visualisierung des Fremd-OLs einbauen (z.B. nächster Blick auf die Karte beim Sendemasten nach 500m).
Auch hier beim Orientieren dieses Fremd-OLs auf der Karte alles stets so visualisieren, als ob es ein Nacht-OL mit eingeschränkter Sicht sei. So bekommt man ein besseres Gefühl für Distanzen und markante Orientierungspunkte und rettende Auffanglinien: Was wäre bei Nacht hilfreich, was weniger?
Scheuklappen Map Jog in der Nacht
Map Jogs in der Nacht verbessern sowohl die Laufkoordination in der Finsternis, als auch die Lesefähigkeit mit der (wackelnden) Stirnlampe und führen zu einer realistischeren Einschätzung des Tempogefühls, das in Folge der geringeren Sichtweite in aller Regel anders als tagsüber ist (mehr hierzu: Nacht-Simulation und Nacht-Intervall, s.u.).
Nacht-OL Simulation
Ähnlich dem Scheuklappen Map Jog funktioniert meine „Nacht-OL Simulation“, allerdings in einem mir in der Fläche sehr gut bekanntem Laufgelände (Wald hinterm Haus oder Parkgelände), mit nicht zu dichtem Wegenetz und keinen steilen Hängen, dafür halboffene Abschnitte. Während des Map Jogs in der Nacht wird nun ergänzend der ständige Wechsel zwischen Wegelaufen und Querlaufen verstärkt eingebaut, manchmal auch noch der Unterschied bergauf und bergab. Und ähnlich wie beim Schi-OL-Abzweigungstraining können mehrfache Richtungswechsel eingebaut werden und, da ich dieses Gelände vom Tag nahezu auswendig kenne, auch Auffanglinien im Gelände simuliert werde (dann ist bspw. ein quer verlaufender Weg in der richtigen Distanz ein Bach). Dabei kann auch sehr gut trainiert werden ein Wechsel zwischen behinderndem Lauf querfeldein, mit erhöhter Aufmerksamkeit und der Beschleunigung auf den Wegen, wo jeweils möglichst hohes Tempo herausgeholt werden sollte. Dieser Wechsel zwischen den unterschiedlichen Tempovarianten muss man unbedingt trainieren, da man in der Dunkelheit die eigene Laufgeschwindigkeit oft schlechter einschätzen kann und so sichere Wegstrecken leichter verbummelt. Hier gibt es auch eine ausgezeichnete Gelegenheit, das Schrittezählen im mentalen Hintergrund voll zu automatisieren.
Grundsätzlich sind die oben beschriebenen Trainingsformen umso besser durchfürbar, je erfahrener ich beim Visualisieren von OL-Situationen bin. Einfachste Übung: Am Abend den letzten Orientierungslauf, das letzte Training in allen Wahrnehmungsqualitäten (5 Sinne, Kartenlesen, Körpergefühl, Routenplanung) vor dem inneren Auge ablaufen lassen. Ich mach das am Liebste beim Zahnarzt^^, bevor er anfängt…
Map-Jog- Analyse nach Nacht-OL Gesichtspunkten
Schriftliche Analyse des Map Jogs, bequem am Sofa zu Hause, mit verschiedenen Symbolen unter Beachtung von Sichtmöglichkeit, Markierung der Deutlichkeit von Leitlinien und Auffangobjekten und genauer Analyse des rot-gelb-grün Tempos.
Nacht-OL-Training: Kartenmaßstab
Möchte man sich auf einen speziellen Nacht-OL vorbereiten, sollte man alle Trainingskarten, die man verwenden möchte (v.a. für die Nacht), auf Maßstab des bevorstehenden Hauptwettkampfes umkopieren. Auch für Map-Jogs unbedingt auf den Wettkampfmaßstab achten, um das Distanzgefühl in Kombination mit dem Kartenlesen zu verbessern, wenn später keine Objekte in der Ferne als Rückhalt verwendet werden können. Gerade neuerdings beim Maßstab 1:7500 beim Map Jog das Schrittmaß üben und einzelne Teilstrecken mit dem Schrittmaß exakt in der Natur abmessen, um ein gutes Gefühl für 75m (=1cm auf der Karte) zu gewinnen.
Nacht-OL-Training: konsequente Geländevorbereitung
Bei möglichst vielen Nacht-Trainings ist es ratsam in Gebiete zu gehen, die dem Wettkampfgelände in Höhenformen oder Bewuchs dem Hauptwettkampf ähnlich sind (z.B. Hügelflanken im Osten von Graz, flache Wälder im Burgenland oder der SO-Steiermark, unübersichtliche schnelle Parkgelände, Gelände mit Rechteck-Schneisen, steile Karten mit Forststrassen udgl.). Da hilft ungemein das Karten-Abo des ÖFOL! Ein Empfehlung meinerseits an dieser Stelle. Auf diese Weise findet auch in anderen Bundesländern immer wieder Gebiete mit ähnlicher Gelände-, Weg- und Wiesenstruktur.
Bei der Auswahl von vorbereitenden Nacht-OLs (meist Landesmeisterschaften) vor dem Hauptwettkampf dorthin fahren, wo der Charakter ähnlich erscheint.
Nacht-OL-Training als Pendel-OL mit Sparring-Partner
Was lässt sich machen, wenn man keine vorgesetzten Posten im Wald hat… und zugleich nicht ganz alleine dem Jäger begegnen will?
Am Besten ist ein „Pendeltraining“ (© Wendler,Proske). Läufer A läuft vom Start zu Posten 1, hockt sich dort hin und schaltet seine Lampe aus (die Person fungiert also als Postenersatz!), Läufer B folgt nach ca. 1 Minute und rennt Start – Posten 1 – Posten 2. Nach dessen Durchlauf nach rund 1 Minute Wartezeit läuft Läufer A die nächsten Posten 1 – Posten 2 – Posten 3. Und so geht es die ganze Strecke hindurch weiter. Sehr effizient, garantiert hohes Tempo und präzises Orientieren. Zugleich pusht man sich vorwärts. Darüber hinaus braucht dabei nichts vormarkiert werden; keinerlei Mist bleibt zurück – nur die Stille der Nacht.
Analyse der Fehler am Tag
Aus Fehlern lernt man. Das ist nicht bloß ein Sprichwort. Sollten Fehler passieren, zahlt sich die Rückkehr ins Trainingsgelände unter Tag unbedingt aus, um Ursachen für eigene Fehler vor Ort zu analysieren. Das Gelände sieht man dann mit anderen Augen; und damit garantiert auch in der nächsten ähnlichen Situation, wenn diese einmal auftritt.
Karten-Vorbereitung mit Luftbild, ÖK 50000 gelb „Studienkarte“
Wenn es keine alten Karten gibt, wie bei Tag-Karten ÖK 50000, auf Kartenmaßstab umkopieren, dann in gelb-braun-Modus anfärbeln, mit Hilfe eines Luftbilds markante Kulturunterschiede des Bewuchses einfügen (z.B. große Kahlschläge, neue Forststrassen .etc), uralte vorhandene OL-Karten, auch wenn sie historisch sind, im passenden Maßstab einfügen bzw. hineinkopieren. So bekommt man ein Gefühl für die Proportionen der Karte und die Beschaffenheit des Geländes.
Grobstrukturierung des Geländes durch eigene Flurnamen
Wegbeschreibungen verbalisieren. Es hat sich, ganz besonders in der Nacht bewährt, die verschiedenen Abschnitte und Grobgeländeformen der Karte mit eigenen Flurnamen zu benennen und diese zu lernen. Damit strukturiert man die Karte und hat beim Wettkampf auch ein Vokabular um den Lauffortschritt zu verbalisieren und Routenziele zu präzisieren (z.B. „von rechts auf den Senderberg, entlang der Kammstrasse, im rechten Winkel zum Grand Canyon, bis zum Eierteich, entlang des Jordan, dann ist der Dschungel geschafft…“). Unbedingt auch auf einer Kopie die Hauptzähllinien (z.B. alle 25m) mit dickem Rotstift ausmalen, um die groben Geländeformen zu erkennen Wo ist der höchste Punkt, wo der tiefste, wie neigt sich das Gesamtgelände?
Routen planen zur Routenwahlsimulierung unter Nachtbedingungen
Wenn das Laufgebiet bekannt ist und annähernd auch vielleicht das erwartbare Startareal erahnt werden kann (Erfahrung hilft), auf die vorbereitete „Studienkarte“ ein eigenes Postennetz eintragen und in Folge zwischen den Posten möglichst viele Strecken auf ihre Nacht-Eigenschaften hin analysieren; auch für die Map Jog verwendbar. Bei bekanntem Startpunkt möglichst viele erste Posten analysieren, wie sie in der Umgebung liegen könnten.
Bei Berücksichtigung der Nachtbedingungen Routen und Umlaufrouten auf Sicherheit (auf ihre Fehlerfreiheit; ggfs. sich Sicherheitsrouten ausdenken für den Fall, dass das Gelände vor Ort nicht der Vorstellung entspricht) und zugleich ihre Schnelligkeit in der Dunkelheit analysieren.
Ich entwerfe im Zuge dessen meist drei Routen pro Teilstrecke: 1. Meine voraussichtliche Nacht-Route, 2. Meine gewöhnliche Tagroute, 3. Und eine idiotensichere Route (meist nur die Leitlinien), im Falle eines „Blackouts“. Oft ergibt sich daraus auch ein engmaschiges Taktik-Konzept für diesen Wald und seine Eigenheiten (z.B. vieles umlaufen oder auf markante Auffanglinien direkt zulaufen u.ä.).
Testwettkämpfe nützen (Sicherheitspunkt erkennen), um dann erst Gas zu geben
Bei verschiedenen Tag-Wettkämpfen diese als Tests für die Nacht-Taktik verwenden. Grün-gelb-rot Tempo im Wettkampf so üben, als sei es Nacht (ähnlich dem Scheuklappentraining). Sichere Auffanglinien und Objekte im Lauf testen, aber nicht weiter als 50m (Lampensichtweite) vorrausschauend suchen (z.B. Forsttrassen erkennt man oft von weitem an ihrer Böschungskanten .etc), sondern bewusst „drüberstolpern“, sich auf das eingeplante Auffangobjekt verlassen. Beim Laufen mit Kompass in weiße Areale etc., das Schrittzählen im Hintergrund automatisieren, sowie das Auffangobjekt hinter dem Posten üben, um sofort zu wissen, wann man vorbei ist.
Intervalltraining in der Nacht
Tempowechsel auf einer Laufrunde in der Nacht üben, wie z.B. durch 200-400m Intervalle auf einer 1km Runde. Jedesmal vor dem Intervall eine Teilstrecke strukturieren und einprägen und im Ziel des Intervalls alles rekonstruieren und verbalisieren. Auch hier kann ein Intervallteil quer gehen.
Viel Spaß beim Training! Garantiert sind auch einige Tipps für „Tag-Läufer/innen“ nützlich.
Euer OL-Doc